Der indigoblaue Schleier by Ana Veloso

Der indigoblaue Schleier by Ana Veloso

Autor:Ana Veloso [VELOSO, ANA]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41215-2
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-07-03T04:00:00+00:00


Wenige Wochen später war es so weit: Amba trat ihre Reise gen Osten an, um die Plantage zu inspizieren. Wie immer fuhr sie in Begleitung ihrer ayah Nayana, die als Einzige wusste, was das Ziel der Reise war. Die anderen Hausbewohner waren halb neidisch, halb froh: Es wäre schön gewesen, einmal herauszukommen und dadurch, dass man Ambadevi begleiten durfte, sozusagen geadelt zu werden. Es war aber auch nicht schlecht, wenn die Herrin fort war und sie sich auf dem Gelände ungeniert dem Müßiggang hingeben konnten. Denn der Einzige, der ein wachsames Auge auf alle hatte, war der alte Dakshesh, und der ließ sich schnell ausschalten. Man musste ihm nur ein paar Schlucke Feni-Schnaps unterjubeln, schon lag der Gärtner den halben Tag unter dem Banyan-Baum und schnarchte, was das Zeug hielt.

Anuprabha hatte die Standpauke von Ambadevi noch immer nicht vergessen. Im Gegenteil, ihr Ärger über diese Ungerechtigkeit war nur noch gewachsen. Natürlich war sie klug genug gewesen, ihre wahren Gefühle nicht der Herrin zu zeigen. Sie hatte den Groll, der unablässig an ihr nagte, stattdessen den anderen gegenüber ausgetobt: Sie hatte heimlich eine Handvoll Salz in Chitranis Milchpudding gegeben, so dass dieser ungenießbar wurde; sie hatte Daksheshs Turban abgewickelt, so dass der Alte, als er nach einem Nickerchen in der Sonne erwachte, einen Sonnenbrand auf seinem fast kahlen Schädel hatte; sie war an Nayanas Börse gegangen, die diese vergessen hatte mitzunehmen, und hatte daraus ein paar Münzen stibitzt; sie hatte Jyoti beleidigt und gedemütigt; sie hatte Shalini und Vikram gegeneinander aufgehetzt, indem sie der Mutter Lügen über den Sohn und umgekehrt dem Sohn über die Mutter erzählt hatte; und schließlich hatte sie Makarand an den Rand des Wahnsinns getrieben, indem sie einige verführerische Tanzschritte vor ihm aufgeführt und dann gesagt hatte, wenn er mehr sehen wolle, müsse er sich schon ein wenig mehr Mühe mit den Geschenken geben.

Die Stimmung im Haus war gereizt. Alle sehnten die Ankunft Ambadevis herbei. Und lange konnte es nicht mehr dauern, sie war nie länger als zwei Wochen unterwegs. Anuprabha war die Einzige, der die Rückkehr der Hausherrin nicht so wichtig war. Sie hatte ein perverses Vergnügen an ihren Boshaftigkeiten gefunden, und sie war noch lange nicht befriedigt. Ein richtig großes Abenteuer hatte sie keines erlebt.

»Makarand?«, wandte sie sich eines Abends an ihren Verehrer.

»Ja?« Die Stimme klang hoffnungsfroh und ungläubig, als könne er sein Glück kaum fassen, dass Anuprabha von sich aus das Wort an ihn richtete.

»Makarand, ich war nicht immer so freundlich zu dir, wie es dir zustünde. Du bist ein wahrer Freund.«

Der junge Mann rollte zustimmend mit dem Kopf, obwohl es ihm natürlich lieber gewesen wäre, nicht als Freund, sondern als Galan betrachtet zu werden.

»Ich denke, wir sollten die Abwesenheit Ambadevis dazu nutzen, uns einmal davonzustehlen und uns einen schönen Tag zu machen. Ich war noch nie in der Hauptstadt, weißt du.«

Makarand war selig. Ein ganzer Tag mit Anuprabha! Dafür war er bereit, alle Regeln und Vorsichtsmaßnahmen über Bord zu werfen. Er wusste, dass Ambadevi es nicht wünschte, dass die Frauen und Mädchen sich in der Stadt blicken ließen.



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